Worin besteht genau der Unterschied zwischen Assessment-Center, Management-Audit, Potenzialanalyse & Co.?

Für Verfahren zur Personalauswahl und -entwicklung existieren eine Vielzahl von Bezeichnungen wie:

  • Assessment-Center
  • Auswahltag
  • Development-Center
  • Förder-Assessment
  • Förderseminar
  • Karriere-Workshop
  • Match Day
  • Management-Audit
  • Orientierungs-Center
  • Personalentwicklungs-Workshop
  • Potenzialanalyse
  • Potenzialvalidierung
  • Quality-Gate
  • Recruitment-Workshop

usw.

Zunächst möchte ich den Begriff Assessment-Center näher beleuchten. Sinngemäß ins Deutsche übersetzt könnte man Assessment-Center auch als Einschätzungsverfahren bezeichnen. Die Assessment-Center-Methodik basiert auf dem Simulationsprinzip. Das heißt in diesem Verfahren werden erfolgskritische beruflich relevante Situationen nachgestellt. Dabei könnte es sich beispielsweise um ein Zweiergespräch in Form eines Rollenspiels, eine Präsentation, ein Teammeeting oder eine Fallstudie handeln. Selbstverständlich ist die Bandbreite der möglichen Assessment-Center-Aufgaben deutlich größer und kann je nach Position, Hierarchieebene, Unternehmen und Branche variieren. Bei der Durchführung dieser Aufgaben werden Sie beobachtet und anhand bestimmter Kriterien bewertet. Grundsätzlich ist die Durchführung als Gruppen- oder Einzelassessment möglich. Assessment-Center ist daher als Sammelbegriff für all jene Verfahren zu verstehen, die nach dem Simulationsprinzip aufgebaut sind, unabhängig davon, welche Zielsetzung damit verfolgt wird.

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In modernen Verfahren werden die Assessment-Center-Aufgaben meistens durch ein strukturiertes Interview sowie durch Testverfahren (Persönlichkeitstests, kognitive Leistungstests) ergänzt. Dabei handelt es sich strenggenommen nicht um Assessment-Center-Module im engeren Sinne, sondern um eigenständige eignungsdiagnostische Verfahren, da sie nicht auf dem Simulationsprinzip basieren. In der Praxis werden diese Module gerne im Rahmen eines „Assessment-Centers“ kombiniert, da dieser Methodenmix – professionell eingesetzt – qualitativ höherwertigere Informationen liefert.

Ein Assessment-Center kann für unterschiedliche Zwecke eingesetzt werden:
  1. Personalauswahl / Stellenbesetzung:
    Ziel des Assessment-Centers ist es für eine oder mehrere zu besetzende Stellen den bzw. die geeignetsten Kandidaten auszuwählen. Das Assessment-Center ist dann Teil eines mehrstufigen Personalauswahlprozesses und stellt eine Art Arbeitsprobe dar, bei der man die Bewerber genauer unter die Lupe nimmt. Bei großen Unternehmen, die eine Reihe von Einstiegspositionen zu besetzen haben – z. B. für Auszubildende oder Trainees – werden solche Assessment-Center oft unter dem Arbeitstitel Auswahltag, Bewerbertag oder Recruitment-Workshop durchgeführt.
  2. Qualifizierungshürde für eine bestimmte Hierarchieebene:
    In vielen Institutionen ist der Aufstieg in die nächste Hierarchieebene  – beispielsweise Teamleiter- oder Abteilungsleiterebene – an das Bestehen eines Assessment-Centers geknüpft. Wer besteht hat zwar die Lizenz für eine bestimmte Führungsebene erworben, aber das ist noch nicht automatisch mit der Übernahme einer Führungsposition verbunden. In der Regel landen die erfolgreichen AC-Absolventen in einem Pool von Führungskräfteanwärtern und können sich nun auf ausgeschriebene Stellen bewerben.
  3. Orientierung für Potenzialträger:
    Einige Unternehmen ermöglichen ihren Nachwuchskräften im Rahmen eines Assessment-Centers Erkenntnisse darüber zu erlangen, welcher Karriereweg im Unternehmen für sie der geeignetste ist. Soll es in Richtung Führungslaufbahn, Projektleitung oder Fachlaufbahn gehen? Der Ausgang des Verfahrens hat dabei keinen Einfluss auf das berufliche Weiterkommen, sondern soll dem Betreffenden selbst Orientierung für die berufliche Weiterentwicklung und die Entscheidung für eine bestimmte Laufbahn bieten. Es handelt sich dabei um ein Orientierungs-Center. Echte Orientierungs-Center sind allerdings dünn gesät.
  4. Grundlage für Personalentwicklungsmaßnahmen:
    Manche Unternehmen nutzen Assessment-Center um den Entwicklungsbedarf bei ihren Mitarbeitern oder Führungskräften zu erheben und diese in ihrer Entwicklung zu fördern. Das Ergebnis des Assessment-Centers hat dann keine unmittelbare Auswirkung auf die Laufbahn,  sondern dient tatsächlich als Basis für die Definition individueller Fördermaßnahmen, wie Trainings oder Coachings um Stärken auszubauen, Lernfelder zu bearbeiten oder Potenziale zu entfalten. Solche Assessment-Center verdienen zu Recht den Arbeitstitel Development-Center oder Potenzialanalyse.
  5. Selektion von Stelleninhabern:
    Unternehmensübernahmen oder -fusionen gehen meist mit der Zusammenlegung von Verantwortungsbereichen bzw. einer Verschmelzung von Parallelstrukturen einher. In vielen Fällen resultieren daraus Stellenstreichungen – insbesondere im mittleren Management. In diesem Zusammenhang ist es nicht unüblich, eine komplette Führungsebene einem Assessment-Center-Verfahren zu unterziehen. Zielsetzung ist dabei, die reduzierte Anzahl der verfügbaren Positionen mit den qualifiziertesten Kandidaten zu besetzen. Die schlechter gerankten Kandidaten müssen damit rechnen, ihren Platz zu räumen. Ihnen droht eine Rückstufung in eine niedrigere Ebene oder in letzter Konsequenz der Verlust des Arbeitsplatzes. Die Bezeichnung Management-Audit würde am ehesten zu diesen Assessment-Centern passen.

Wird ein unternehmensinternes Assessment-Center erstmalig eingeführt, sorgt dies oft für Unruhe in der Belegschaft, gerade dann, wenn für die Betroffenen die Zielsetzung nicht transparent ist. Sollen mit diesem Verfahren die Mitarbeiter gefördert oder womöglich ausgesiebt werden? In manchen Unternehmen folgen Assessment-Center einem Wechsel an der Führungsspitze. So kann es sein, dass der neu bestellte Geschäftsführer seine Führungsriege erst einmal durch ein Assessment-Center schickt. Dabei könnte es sich natürlich um eine wohlgemeinte Maßnahme der Führungskräfteentwicklung – wie unter Punkt 4 beschrieben – handeln. Vor dem Hintergrund des Führungswechsels, drängt sich jedoch schnell der Verdacht auf,  dass es eher um eine Selektion geht, und bei nächster Gelegenheit kräftig am Personalkarusell gedreht wird.

Assessment-Center

Die konkrete Zielsetzung eines Assessment-Centers ist eine unternehmens- bzw. personalpolitische Frage. Der Arbeitstitel gibt darüber meist wenig Aufschluss. Assessment-Center werden von den meisten Unternehmen heute nicht mehr also solche bezeichnet. Nur noch etwa jedes fünfte Unternehmen nennt sein Assessment-Center auch Assessment-Center. Vermutlich deshalb weil der Begriff bei Bewerbern und AC-Kandidaten eher mit negativen Assoziationen verknüpft ist. Positiver klingen natürlich Arbeitstitel wie Development-Center oder Orientierungs-Center. Doch nur die wenigsten als solche deklarierten Verfahren verdienen die Bezeichnungen wirklich. In vielen Fällen handelt es sich dabei lediglich um ein Etikett, mit dem Ziel, die Akzeptanz zu verbessern und dem ganzen einen positiveren Anstrich zu geben. Ich kenne auch sogenannte Potenzialanalysen, Development-Center und Orientierungs-Center, die der Beschreibung unter Punkt 5 entsprechen und eingesetzt werden, um Führungskräfte auszusieben. Solche Veranstaltungen geben dann lediglich dem Arbeitgeber Orientierung.

Erfahrene Führungskräfte, die selbst Mitarbeiter einstellen, kennen Assessment-Center oft aus der anderen Perspektive und verstehen darunter eher eine Massenveranstaltung zur Auswahl von Absolventen. Möchte man nun genau diese Führungsriege ins Assessment-Center schicken, sind Akzeptanzprobleme vorprogrammiert. Die Verfahren werden daher häufig als Potenzialanalyse oder Management-Audit deklariert. Dadurch werden eine höhere Wertigkeit und eine gewisse Exklusivität suggeriert.

Fazit:

Da sich der Arbeitstitel meist an Marketinggesichtspunkten orientiert, lässt er kaum Rückschlüsse auf die Zielsetzung, den Schwierigkeitsgrad oder konkrete Inhalte der Aufgabenstellung zu. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit handelt es sich um Verfahren, die nach der Assessment-Center-Methodik aufgebaut sind und die genauso gut als Assessment-Center bezeichnet werden könnten. Wenn Ihnen ein Management-Audit, eine Potenzialanalyse, ein Development-Center oder ein ähnlich klingendes Verfahren bevorsteht, sollten Sie zunächst hinterfragen, welche Zielsetzung damit verknüpft ist und welche Konsequenzen das Ergebnis des Verfahrens zur Folge hat. In der Regel lässt es sich in eine der oben beschriebenen Kategorien einordnen. Bei der Recherche im Netz werden Sie zu diesen Begrifflichkeiten auf sehr widersprüchliche Informationen und Empfehlungen treffen, da der Arbeitstitel oft nur Makulatur ist. Sie sind daher gut beraten, sich bei Ihrer Vorbereitung auf ein Assessment-Center einzustellen und – sofern Ihnen keine anderen Erkenntnisse vorliegen – sich mit der kompletten Bandbreite der möglichen Module auseinanderzusetzen. Unabhängig davon, ob Ihr Verfahren als Assessment-Center, Management-Audit oder Potenzialanalyse deklariert ist – auf die Nennung sämtlicher Bezeichnungen verzichte ich hier aus Platzgründen – empfehle ich Ihnen zur Vorbereitung mein Buch Assessment-Center erfolgreich bestehen – Das Standardwerk für anspruchsvolle Führungs- und Fach-Assessments.


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